Die (Psycho-)Logik des Entscheidens

Dem Autor, Psychologe und Unternehmensberater, ist ein beeindruckendes Werk gelungen: Stilistisch, weil er schwierige Themen mit einer flüssigen, lebendigen Ausdrucksweise für den Leser verständlich und spannend aufbereitet; inhaltlich, weil er es schafft, auf rund 200 Seiten eine umfassende...

Buchtitel: Die (Psycho-)Logik des Entscheidens. Fallstricke, Strategien und Techniken im Umgang mit schwierigen Situationen.
Autorinnen: Braun W
Verlag: Hogrefe
Erschienen: 2010

...Auseinandersetzung mit der Entscheidungsthematik zu leisten: Nach einer Erläuterung zum Begriff der Entscheidung, wie er dem Buch zugrunde gelegt wird (ein Abwägen von Alternativen entsprechend dem Rationalitätsdogma, aber auch dem individuellen, stimmungsgeprägten, spontanen und teilweise irrationalen Reflexionsdogma Rechnung tragend), folgt eine dem Autor wichtige Parität des Ernstnehmens von Vernunft und Gefühl, Verstand und Herz.

Menschen folgen einer Psychologik, ihr individuelles Entscheidungsverhalten gehorcht einer individuellen psychologisch bedingten Folgerichtigkeit. Zugleich steht die Psychologie nicht nur am Anfang der Entscheidung, sondern auch im Prozess der Entscheidung selbst: Die psychologischen Implikationen eines Beschlusses, ob es sich nun um psychische Filter oder um Risikoeinschätzung oder um die Dominanz innerer Bilder und Vorstellungen handelt.

Das dritte Kapitel beschreibt die Rahmenbedingungen der Entscheidung: das Ausmaß der vorhandenen Information bzw. Informiertheit, die Risikoeinschätzung und der Entscheidungszeitdruck. In wenig komplexen Situationen wirkt sich der Zeitdruck nicht hinderlich aus, man greift auf Standard-Vorgangsweisen und bewährte Checklisten zurück. Anders in hoch komplexen Situationen: Besteht kein Zeitdruck, dann kann man abwägen, simulieren, Experten befragen. Unter Zeitdruck wird das Bauchgefühl, die Intuition und mentale Simulation notwendig.

Im vierten Kapitel geht es um komplexes Entscheiden und systemisches Denken: Der Autor bringt z.B. auf Seite 55 eine Abbildung zu Denkanforderungen und –gefahren ( originelle Begriffe wie „Helikoptermentalität“, „Planungserotik“ können leider, da nicht näher erläutert, in ihrer Bedeutung für den Autor nur erahnt werden). Die individuelle Ebene, die soziale und die Handlungs – Ebene beeinflussen einander, auch die Einzelaspekte der Entscheidung bestehen nicht isoliert, sondern sind miteinander verstrickt, vernetzt, ungeahnte Nebenwirkungen können entstehen, eine Eigendynamik der Problemsituation unerwartete Situationen hervorrufen, unklare Ziele und Intransparenz, d.h. unvollständige Kenntnis aller Problemaspekte kann Entscheidungen verschlechtern.

Kapitel fünf ist eine relativ kurz gehaltene Auseinandersetzung mit der Funktion von Zielen bei Entscheidungen.

Das folgende Kapitel beschreibt die Fehleranfälligkeit menschlichen Handelns, sei sie durch fehlerhafte Informationsverarbeitung begründet oder durch Denkökonomie (z.B. Vernachlässigung von Nebenwirkungen), Denkhygiene (z.B. die rationalisierende Glättung von Dissonanzen) und durch Handlungsorganisation (z.B. fehlende Handlungskontrolle), wobei die Ausführungen zur Handlungsorganisation kognitiv dominiert sind und durchaus eine Ergänzung tatsächlich in der Aktivitätsausübung begründeter Fehleranfälligkeiten vertragen würde.

Kapitel 7 befasst sich mit Entscheidungen in der Gruppe und hier gegebenen typischen Fallstricken wie das Konsensdogma.

Kapitel 8 setzt sich mit Entscheidungszyklen auseinander, ob es sich nun um eine Abfolge von Problemlösungsschritten handelt oder um ein Wiedererkennen vorhandener Problemkonstellationen und dazu gehörender Lösungsmuster.

Kapitel 9 stellt Entscheidungsregeln dar, z.B. Heuristiken wie „Take the best“; „Mehrheitsheuristik“; „Folge dem ersten Impuls“ u. v. a. m. Sehr interessant ist die Abbildung auf Seite 129, die eine Zunahme von Intuitionspräferenz bei wachsender Komplexität des Problems beschreibt, während bei abnehmender Komplexität die Rationalitätspräferenz zunimmt. Der Autor zählt auch die wichtigsten Entscheidungsregeln auf wie MaxiMin-Regel (maximale Absicherung gegen Enttäuschungen), MaxiMax Regel (Entscheidung für die nützlichste Alternative). Sowohl intuitive Entscheidungsregeln haben Probleme (z.B. auf vertrauten Spuren unterwegs sein) als auch rationale Regeln (Menschen handeln nicht nach rational ökonomischen Prinzipien, sondern nach psychologischen Mechanismen).

Kapitel 10 bietet einen breiten Überblick über Entscheidungshilfen und -techniken, Kapitel 11 liefert praktische Fallbeispiele. Eine sehr sympathische Schlussreflexion findet auf den Seiten 193 bis 197 statt, besonders ansprechend die 7 Punkte auf Seite 195 (z.B. Demut und Achtung vor absoluten Nichtbeherrschbarkeiten, das Relativieren von Machbarkeitsfantasien).

Kapitel 13 bietet nochmals ein Resümee mit wichtigen grundlegenden Fragen, die man sich bei Entscheidungen überlegen sollte. Und abschließend findet noch auf Seite 205 ein in seiner maßvollen Art sehr ansprechendes Plädoyer für die Steigerung der Entscheidungsgestaltung gegenüber einer Entscheidungsgetriebenheit!

Wie schon eingangs gesagt: Ein beeindruckendes Werk!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
08.07.2010
Link
https://pup.schule.at/portale/psychologie-und-philosophie/news/detail/die-psycho-logik-des-entscheidens.html
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